Wer auf den Kanälen der öffentlich-rechtlichen Anstalten Informationen zu Kryptowährungen sammelt, dem steht nach kurzer Zeit die Abscheu ins Gesicht geschrieben. Bei einigen Artikeln scheint es fast so, als wolle man aktiv Bitcoin diskreditieren – ein etwas detaillierter Blick auf Kryptowährungen und gefährliches Halbwissen.
„Wir sterben bis wir Tod sind“
So oder so ähnlich lässt sich ein Artikel der Börse ARD zusammenfassen. Er ist hier Untersuchungsgegenstand, weil er auf schroffe Art und Weise typische Missverständnisse zu Bitcoin und Kryptowährungen aufzeigt – da kann man etwas dazu lernen!
Ich empfehle jedem Leser den verlinkten Artikel wenigstens vorher ein Mal zu überfliegen. Die Abschnittsüberschriften fassen die Kernpunkte relativ gut zusammen. Wer sich dennoch nicht aufraffen kann, dem fasse ich gleich die Kernaussagen zusammen – wir wollen ja genau hinschauen und lernen. Der verlinkte Artikel gliedert sich in die folgenden Abschnitte:
- Bitcoin-Blase und aktueller Stand
- Mining und fehlende Regulierung
- „Bürgerkrieg“ spaltet Bitcoin Cash
- 720 Milliarden Dollar „verbrannt“
- Bitcoin zerstört die Umwelt
So wie manche Medienportale Kryptowährungen ausgiebig in den Himmel loben, so scheint die ARD ein Gegengewicht hierzu aufbauen zu wollen. Untersuchen wir den ersten Abschnitt:
Bitcoin-Blase und aktueller Stand
Der Bitcoin-Kurs stieg immer weiter – solange sich ein „noch größerer Narr“ fand, der bereit war, noch mehr für einen Bitcoin zu bezahlen („Greater-Fool-Hypothese“). Doch 2018 passierte schließlich das, wovor Experten schon lange gewarnt hatten: Dem Markt gingen die Narren aus. Die Bitcoin-Blase platzte. Auf Euphorie folgte Abscheu.
Wer genau hinschaut, der erkennt: dem Markt gingen nicht die Narren aus, mindestens einer von ihnen überlebte und schreibt seit jeher Artikel. Diese hochkonzentrierte Zusammenfassung mag einerseits inhaltlich stimmig sein, fasst aber bei weitem nicht die Komplexität des letzten Crashs zusammen.
Natürlich wird Bitcoin Ziel einer Spekulationsblase gewesen sein, das steht auch innerhalb der Cryptocommunity völlig außer Frage. Zahlreiche interne Medienportale haben immer wieder vor einem drohenden Crash gewarnt, Analysten sahen den Markt als überhitzt an. Müssen wir deswegen daraus schließen, dass der Markt nur aus Narren besteht? Und heißt das im Umkehrschluss, dass Bitcoin eine Narren-Technologie ist?
Die Antwort dieser Fragen steht und fällt mit der Definition des „Narren“. Innerhalb der Szene ist man überzeugt davon, dass die Blockchain-Technologie Zukunft hat. Von Investment-Fragen haben aber weniger Community-Mitglieder Ahnung. Besonders zum Zeitpunkt des starken Wachstums von November bis Dezember 2017 kamen viele Neulinge in den Markt – der überwiegende Großteil davon hatte kein Vorwissen bezüglich Aktien oder ETFs. Dementsprechend erkannten sie auch nicht die Zeichen des Marktes: überhitzte Märkte, zu starke Preisexplosionen, vermehrte Berichterstattung in den etablierten Medien.
Erfolg konnten Anleger mit mehr Erfahrung verzeichnen. Sie sahen die Zeichen der Zeit und verkauften. Die überwiegende Menge der anderen Anleger, mit weniger Erfahrung, wurde nervös durch den plötzlichen Preisverfall – eine Kettenreaktion wurde in Gang gebracht und der Kurs fiel bis heute.
Es sieht im allgemeinen also eher nach einer natürlichen Entwicklung einer Blase aus und weniger nach einer charakteristischen „Dummheit“ von Crypto-Anlegern. Und das aktuelle Jahrestief? Sollte das nicht Bitcoin den Rest geben?
Im Januar letzten Jahres stand der Bitcoin-Kurs noch um die 1.000 US-Dollar pro Bitcoin – es bedarf also noch einem größeren Abfall bis Bitcoin wirklich in Tiefen fällt, wo man ihn als „beinahe tot“ bezeichnen kann.
Mining und fehlende Regulierung
Die „South China Morning Post“ berichtete jüngst, dass in China, wo noch immer der Großteil des mit Computern erzeugten Krypto-Geldes „geschürft“ wird, reihenweise Bitcoin-Miner aufgeben. Im Netz kursieren Bilder von Lagerhallen, in denen sich massenweise Server stapeln.
Fehlende Regulierungen, Hackerangriffe auf diverse Handelsplattformen und warnende Worte von Notenbankern und Finanzexperten verdarben Anlegern zuletzt den Appetit auf das riskante Investment.
Hierzu gibt es nicht viel zu sagen, denn wer innerhalb der Cryptocommunity unterwegs ist, weiß dass Mining längst nicht tot ist und fehlende Regulierung nur teilweise zutrifft. Fortschrittliche Länder, wie die Schweiz, scheinen hier die Zukunft für sich zu beanspruchen. Länder wie Estland bauen ihren ganzen Staatsapparat darauf auf. Alternative Mining-Orte bieten sich aktuell ebenso an. Hierzu empfehlen wir folgende Artikel:
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„Bürgerkrieg“ spaltet Bitcoin Cash
Als akuten Auslöser für den aktuellen Bitcoin-Crash sehen die meisten Beteiligten allerdings die Spaltung („Hard Fork“) der Schwester-Devise Bitcoin Cash am 15. November. Das führte zu einem regelrechten „Bürgerkrieg“ in der Krypto-Community, der große Verwirrung und Panik am Markt schürte.
Insider vermuten auch, dass beide Bitcon-Cash-Lager massiv Bitcoins verkauft haben, um ihren Feldzug zu finanzieren und die von ihnen favorisierte Bitcoin-Cash-Variante zu kaufen.
„Bürgerkrieg“… wie in „Bürgerkrieg in Syrien“. Nur das dieser Bürgerkrieg in Crypto nicht mit Blutvergießen geführt wird, sondern mit Rechenleistung. Dass Coins im großen Stil ihre Besitzer wechselten, um den bevorzugten Fork zu unterstützen ist richtig und ein Argument beider Lager um das jeweils andere Lager zu verunglimpfen. Hierzu haben wir bereits Berichterstattung geleistet:
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Ob dies aber wirklich große Auswirkungen auf den Crypto-Markt an sich hatte, ist fraglich. Blockchain-Systeme sind darauf ausgelegt, dass ihre Mitspieler die Seiten wechseln können. Im Grunde genommen ist dies sogar ein positiver Faktor, den wir in Fiat-Systemen vermissen. Fällt der Euro im Vergleich zu anderen Währungen, können wir nicht so einfach andere Währungen kaufen und damit unseren Alltag bestreiten – was hier also als naiver Bürgerkrieg abgestempelt wird, ist eigentlich ein wichtiges Feature, was wir heutzutage längst in unserer Ökonomie benötigen: die freie Wahl nach einem Bezahlungsmittel.
720 Milliarden US-Dollar „verbrannt“
…Binnen weniger als zwölf Monaten wurden 720 Milliarden Dollar an Anlegergeldern vernichtet. Viel Fantasie braucht es nicht, um sich vorzustellen, dass dabei auch einige Existenzen vernichtet wurden.
Mit dem Geld verhält es sich wohl nicht wie mit der Thermodynamik: Geld entsteht und wird auch wieder zerstört. Im Falle der Kryptowährungen sogar scheinbar so sehr, dass 720 Milliarden US-Dollar vernichtet wurden. „Verlegt“ scheint hier das bessere Wort zu sein. Wie bereits angesprochen war der Markt ohnehin zu hoch bewertet – eine Korrektur folgte. Gelder sind wieder aus dem Markt geflossen, wahrscheinlich auch zum Großteil als Teil einer Wertsicherung. Dass die Coins auf dem Markt dann an Wert verlieren, ist nur eine logische Schlussfolgerung und kein Ergbenis einer „Verbrennungsmaschine“.
Bitcoin zerstört die Umwelt
Apropos Energieverbrauch: Immerhin ein gutes hat der verfall der Kryptowährungen – die Belastungen für die Umwelt sind deutlich gesunken.
Um dem Bitcoin noch einen letzten Schlag zu verpassen, geht es hier um den ominös hohen Stromverbrauch von Bitcoin. Immer wieder wird er als Totschlagargument gegen den Einsatz von Bitcoin gebraucht, da es scheinbar neben einem politisch unabhängigen Geldsystem keine anderen Klima-Killer auf dieser Welt gibt. Internationale Luft- und Schifffahrt verbrauchen immer noch mehr Rohstoffe als Bitcoin und produzieren dadurch mehr umweltschädliche Substanzen.
Das hält Nouriel Roubini, Crypto-Untergangsprophet, nicht davon ab den Wert von Bitcoin auf unter Null zu beziffern. Seiner Meinung nach, steht der hohe Energieverbrauch keinem wirtschaftlichen Nutzen gegenüber.
Doch was ist mit Transaktionsbestätigungen? Was ist mit dem Wettrennen um Hashes und der Top-Sicherheit von Blockchain-Netzwerken? Alles nicht greifbar und deswegen keinen innewohnenden Wert? Warum haben dann vollkommen digitale Plattformen wie Facebook, Twitter und YouTube einen Wert? Die physische Greifbarkeit macht einen Wert also nicht aus.
Bei dem Artikel der ARD scheint es an Expertenwissen zu mangeln. Zumindest eine detailliertere Sichtweise wäre für uns Crypto-Enthusiasten erfreulich gewesen. Zumal Neulingen ein völlig negatives Bild der Kryptowährungen vermittelt wird. Vielleicht gehört es aber auch dazu, Bitcoin regelmäßig für tot zu erklären. Der englischsprachige Rechner „Bitcoin Obituaries“ zählte bis jetzt 334 Todeserklärungen für Bitcoin. Dann stirbt Bitcoin eben – ein weiteres Mal.
[Bild: Shutterstock]