Alexander Höptner ist CEO der Börse Stuttgart und hat mit unserem Experten Tobias Latzke über das Potential und die Zukunft von Tokenisierung gesprochen.
Base58: Hallo Alexander, du bist Geschäftsführer der Börse Stuttgart. Ich freue mich sehr auf das Gespräch. Erzähl mal, wie bist du zu Crypto gekommen? Was ist dein Hintergrund?
Alexander Höptner: Eigentlich komme ich aus dem Operationsbereich und habe dann irgendwie den Zugang zur Börsenwelt gefunden und war da in verschiedenen Bereichen tätig. Mit der Crypto-, oder der Tokenwelt bin ich 2014 zum ersten Mal mit dem eigenen Start-Up in Kontakt gekommen, einem Marktplatz für den Handel von virtuellen Gütern. Dort haben wir sehr früh mit Amerika geredet und als ich im Silicon Valley war hatte ich das erste Mal Kontakt zur Tokenisierung. Es war für uns wichtig, wie man einen virtuellen Gegenstand quasi für den Kunden eindeutig machen kann und so bin ich sehr schnell auf das Token-Thema gekommen. Damals haben wir es beiseite gelegt, weil es als Technologie oder als Infrastruktur so frisch war, dass die großen Games-Hersteller noch ein bisschen kalte Füße bekommen haben.
Base58: Gut, das ist schon interessant auch im Hinblick auf meine nächste Frage: Also ist Blockchain aus Sicht von einer Börse gar kein Schreckgespenst, sondern eigentlich ein sehr nützliches Tool um eben diese Tokenisierung hinzubekommen?
Alexander Höptner: Absolut. Ich glaube, dass für uns die Infrastruktur am Ende ein Mittel zum Zweck ist. Wir müssen uns die Infrastrukturen nochmal angucken und uns fragen, was sie der Industrie und der Liquidität schlussendlich bringen. Die Blockchain versetzt uns in die Lage die Verbriefung anzugehen. Diese hat uns vor vielen Jahren sehr stark geholfen um eine Standardisierung und eine Transparenz zu bringen. Dies führte zum Thema, wie man Double Spending und Ähnliches ausschließen kann? Das ist ja genau die Lösung, die schlussendlich mit der Blockchain gekommen ist. Das versetzt uns jetzt in die Lage neue Wege zu gehen und deswegen müssen wir uns dem Thema öffnen.
Base58: Ist das für die Börse Stuttgart eine Perspektive Futures auf Kryptowährungen anzubieten, wie es die CME in Chicago schon macht oder sogar den Handel mit Kryptowährungen direkt anzubieten?
Alexander Höptner: Die Börse Stuttgart hat ja als Fokus die Privatanleger, also dich und mich, die wir durch die Gegend gehen und interessante Produkte handeln wollen. Ich glaube, dass der Privatanleger schon lange das klassische Feld der Finanzprodukte verlassen hat, sei es mit Crowdfunding, sei es Kickstarter etc. Jetzt kommen neue Crypto Assets hinzu. Ich glaube als Börse, die sich auf den Privatanleger fokussiert, können wir uns nicht neuen Asset-Klassen verschließen. Wie üblich in neuen Asset Klassen gibt es dann auch mal einen Rüttler in die ein oder andere Richtung. Dann hängt es von den etablierten Playern ab diese Assetklasse auf die nächste Ebene zu heben.
Base58: Und dafür entsprechende Produkte zu bauen …
Alexander Höptner: Wir werden uns das ganz genau angucken, welche da in Frage kommen, weil man ja auch die Sicherheitsaspekte hochhalten muss, was diese Themen angeht. Wenn unsere Kunden entsprechende Produkte handeln wollen, dann wären wir als Privatanleger-Börse schlecht beraten, wenn wir uns dem Thema nicht öffnen würden.
Base58: Absolut. Es gibt ja mehrere Handelsplätze in Deutschland, wo sich jede ihre Nische sucht. Frankfurt ist die Größte, Stuttgart beim Zertifikate-Handel sehr weit vorne, passt ja auch zu dem, dass es für Privatanleger sehr attraktiv ist. Habt ihr ein Bitcoin-Zertifikat schon im Angebot? Von Vontobel gibt es zum Beispiel bereits eins. (https://zertifikate.vontobel.com/DE/blog/Artikel/neues-partizipationszertifikat-auf-bitcoin-mit-unbegrenzter-laufzeit)
Alexander Höptner: Die Produkte sind schon handelbar bei uns. Diese sind nicht von uns selber emittiert, aber eben von Emittenten. Aber reale Cryptos sind, soweit ich weiß, bisher ja in Deutschland noch nicht an der deutschen Börse handelbar. Ich wäre zumindest mal gespannt zu sehen, was so in den nächsten Monaten passiert.
Base58: Gespannt, absolut. Es hängt natürlich auch einiges dran. Wir hatten jetzt kürzlich, also wenn man sich Crypto-Exchanges anguckt, gleich zwei Pannen in Japan ziemlich direkt hintereinander. Bei der einen konnte man wohl 18 Minuten lang Bitcoin für 0 Yen kaufen, was natürlich die Bücher komplett durcheinandergebracht hat in der Börse. Bei dem anderen sind wirklich ca. 500 Millionen Dollar an NEM verschwunden, die also komplett in einer Hot Wallet lagen, wo natürlich jetzt alle die Hände über dem Kopf zusammen schlagen. Es hängt einfach sehr viel Verantwortung dran, wenn man sich in dieses Feld wagt. Gibt es da vielleicht nicht sogar mehr zu verlieren als zu gewinnen, wenn man sich da jetzt rein begibt?
Alexander Höptner: Das würde ich so nicht sagen. Ich würde eher antworten in die Richtung, dass wir uns genau überlegen müssen, dass wir genau für diese Dinge Sicherheitsmechanismen kreieren. In Amerika gibt es Pink Sheets oder ähnliche Sachen, also es gibt auch ganz normale Aktien-Handelsplätze, wo die Börsen schon sagen: Achtung! Das ist Hochrisiko. Du hast eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass du dein Geld verlierst. Das gibt es ja schon für Aktienmärkte. Es gibt High Yield Märkte für irgendwelche Bonds oder so was. Also insofern kennt die Industrie Hochrisikomärkte. Ich glaube es liegt an uns, zum einen zu gucken was kann ich an Sicherheitsmechanismen übernehmen, die es ja tatsächlich schon gibt. Sei es jetzt, dass ich über mehrere Schlüssel das ganze absichere oder das ich die Hot Wallet nur bis zu einer bestimmten Größe anwachsen lasse, das ich Cold Storage Möglichkeiten oder Hatches anbiete. Das sind alles Möglichkeiten womit man das Risiko ein Stück weit minimieren kann. Dann ist es ein Stück weit auch Aufklärung des Marktplatzes, den Kunden darauf hinzuweisen, welches Risiko sie eingehen, wenn sie die Börse benutzen. Wir kennen das alle, wenn wir Aktien handeln wollen oder Ähnliches dann müssen wir Papers unterschreiben, dass uns das Risiko bewusst ist. Da ist an vielen Stellen die Cryptowelt noch Wild West, da muss man auch auf der einen Seite Sicherheitsmechanismen bringen und auf der anderen Seite muss man aufklären und dann ist es ein Produkt, was man sehr gut auch anbieten kann, wo ich glaube das die Chancen die Risiken bei weitem überwiegen.
Base58: Spannend ja. Wenn man sich jetzt umguckt, überall Hacks. Eine mögliche Antwort darauf sind ja Dezentrale Börsen. Die werden immer populärer, sind aber vom Workflow noch etwas sperrig. Wie seht ihr das als Börse, ist das eine gute Entwicklung oder ist das bedrohlich für die bestehenden Börsen?
Alexander Höptner: Das ist weniger eine Frage von Bedrohlichkeit für die bestehenden Börsen, sondern eine ganz grundlegende Sache bei liquiden Marktplätzen ist einfach, dass du Liquidität nicht splitten darfst. In dem Augenblick wo ich exekutieren will, also an mein Geld heranwill, der Markt aber zu klein ist, komme ich nicht raus oder eben nicht rein. Das haben wir auch gesehen, als wir entsprechende Marktbewegungen hatten vor Weihnachten und dann ein paar Börsen auch mal gar nicht mehr erreichbar waren. Als sie wieder erreichbar waren, war der Markt 40 % unten. Da sage ich als Anleger natürlich ,,Bravo!“. Je dezentraler ich bin, desto kleiner werden ja die Volumina die gehandelt werden können und desto schwieriger wird es für mich zu exekutieren, also rein oder raus um auf Marktbewegungen zu reagieren. Ich sage mal Ja! Vom Standpunkt des disruptiven Ansatzes. Bezogen auf Liquidität ist es katastrophal. Stell dir vor du machst einen ICO für 100 Millionen und die 100 Millionen liegen auf 18 Börsen und jetzt heißt es, du musst Gehälter bezahlen oder jetzt willst du Infrastruktur kaufen. Bis du das liquidiert hast, real cash hast – weil noch kannst du damit ja nicht bezahlen – da bist du ja Wochen beschäftigt. Wenn dann die Märkte mal komisch sind, kommst du an dein Konto nicht dran. Und, und, und … Das ist die Downside von dezentral, hat aber weniger was damit zu tun ob wir das jetzt als Risiko einschätzen.
Base58: Ein anderer Trend ist Tokenisierung, die Verbriefung. Welche Trends siehst du da so kommen? Dieses Jahr, nächstes Jahr?
Alexander Höptner: Das ist wirklich schwer zu sagen. Man wird jetzt erst mal tüfteln, was man auf den Token eigentlich alles drauflegen kann, wofür der alles stehen kann. Das wird so ein bisschen auch das Feld definieren wo ich Dinge handeln kann und was ich dann handeln kann. Da ist das Feld sehr groß, das hängt auch ein bisschen von den Kunden ab. Reicht dem Kunden ein digitaler Token oder braucht er einen darunterliegenden, wie auch immer gestalteten Wert? Schaffen wir es als etablierte Player, einen sauberen Weg mit den Regulatoren zu finden, wie wir bestimmte Tokens anbieten können? Das sind glaube ich noch so ein bisschen die Hürden, die genommen werden müssen. Vorstellen kann man sich extrem viel. Man kann die Verbriefung sich komplett weg vorstellen, dann ist alles in Token gebunden. Dann habe ich einen sehr einfachen Prozess, die ganze Komplexität zu nehmen. Die ganze Finanzindustrie, wie sie jetzt gewachsen ist, kann damit angegriffen werden. Das ist noch ein langer Weg, da werden wir noch ein paar Schritte in diese Richtung sehen. Das ist schwer das zu prognostizieren.
Base58: Da haben wir einen Exoten ausgegraben: Da hat jemand seine Arbeitszeit der kommenden vier Jahre – zwei Tage die Woche – in Sekunden ausgerechnet und dann einen Token für seine Arbeitszeit herausgegeben und verkauft das jetzt. Wer immer diesen Token hat, kann ihn dann dafür buchen. Da sieht man schon, der Fantasie sind da quasi keine Grenzen gesetzt.
Alexander Höptner: Absolut, also gerade, wenn wir in den weniger regulierten Bereich gehen. So zum Beispiel Maschinenzeiten, die handelbar sind oder Vektorgrafiken und 3D-Druck. Theoretisch kann ich sagen: ,‚Hier mein Glas ist kaputt gegangen“. Ich kann mir sechs nachbestellen und fünf gebe ich wieder weiter. Das kann ich in einen Token gebunden haben. Man kann sich sehr, sehr viel vorstellen in dem Bereich. Wir brauchen ein paar richtige Anwendungsfälle, wo eine Effizienzgewinnung dadurch entsteht. Den haben wir viel im Finanzbereich, aber da sind wir halt auch im regulierten Bereich. Das ist noch ein Zusammenspiel der neuen und der alten Welt.
Base58: Ja absolut. Zum Thema Prognosen im Blockchain: Es gibt ja diese Hundejahre, wenn ein Hund ein Jahr älter ist, dann sind das wie sieben Menschenjahre. Deshalb rede ich immer von Blockchain-Jahren, also ein Monat in der Blockchain Welt entspricht einem Jahr in der restlichen Welt. Deswegen sind Prognosen auch nicht ganz einfach.
Alexander Höptner: Vor ein par Jahren hätten wir uns das glaube ich nicht denken lassen, dass wir so schnell an einem Punkt sind, dass das alles so einen Impact hat.
Base58: Alex, vielen Dank für das Interview.