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Decentralized Finance (DeFi) im Hype: Wer zahlt am Ende eigentlich die Zeche?
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Decentralized Finance (DeFi) im Hype: Wer zahlt am Ende eigentlich die Zeche?

Marius Kramer
Marius Kramer
25. Januar 2023
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Decentralized Finance (DeFi) ist der absolute Hot Shit der modernen Geldanlage. DeFi schlägt Banken wie Versicherungen und zeigt dem ollen Finanzsystem mal so richtig, was eine Harke ist. Null- und Negativzinsen waren gestern! – Ab sofort verdienen wir alle nur durch das Parken von Kryptowährungen 5, 6, ach was, 12% im Jahr. Echt jetzt? Und wo kommt die ganze Kohle eigentlich her?

In diesem Beitrag beginnen wir mit der Frage, was DeFi überhaupt ist. Eine eindeutige Definition ist nicht möglich, denn schon am Begriff „Decentralized“ scheiden sich die Geister – zwar sind viele Blockchains von ihrer Technologie dezentral organisiert, aber zumeist steckt ein Unternehmen hinter dem DeFi-Angebot, was dem Ganzen eine absolut zentralisierte Note verpasst. Centralized Finance kommt einem dann von der Begrifflichkeit her irgendwie vertraut vor. Schließlich ist es im Prinzip doch nichts anderes als die etablierte Welt der Finanzdienstleistung, nur eben mit Smart Contracts auf Blockchains anstatt mit Depots und Girokonten. So weit, so schlecht.

Was kann DeFi? – Ein klassischer Use Case im Blick

In der Welt der Finanzen gibt es ganz klassische Geschäftsfälle, die jeder kennt und vermutlich auch schon mehr oder weniger stark genutzt hat. Betrachten wir auch DeFi über dieses Geschäftsmodell und die Anwendungsfälle und nehmen dafür beispielhaft die naheliegendsten zwei – nämlich Kredite und Guthabenzinsen:

Kredite: A (meistens eine Bank) leiht B (meistens ein Endkunde) Geld und bekommt dafür eine Gebühr in Form von Zinsen, plus gegebenenfalls einmaliger Abschlussgebühren.

Guthabenzinsen: C (ein anderer Endkunde) parkt Guthaben/Geld bei A (der Bank) und bekommt dafür Guthabenzinsen.

In der DeFi-Welt packt man dann beides zusammen und nennt das Lending. Hier verleiht dann C direkt an B, was und wie viel und zu welchen Bedingungen genau steht in einem Smart Contract. Dieser ist auf einer Blockchain fälschungssicher und dezentral abgelegt. Der Smart Contract lässt auch für die Beteiligten keine Unsicherheiten aufkommen – zum Beispiel wird das Asset von Person C eingefroren, damit er es nicht während des Ausleihens anderweitig ausgeben kann. Riesiger Unterschied zur bisherigen Welt: die Bank A ist aus der Prozesskette entfernt worden.

Es gibt noch andere Anwendungsszenarien im Defi-Universum. Beispiele hierfür sind Compounding als reine Verzinsung oder Swaps, also der Tausch von Währungen. Doch belassen wir es für den Moment beim Lending als „das klassische“ Beispiel.

DeFi = Decentralized = kein Mittelsmann. Oder?

Im althergebrachten System wird die Funktion des Smart Contracts von einem Unternehmen (Bank, Finanzdienstleister) erfüllt. Dieses Unternehmen fällt hier aber ja weg. Dennoch: Einen Mittler gibt es auch im DeFi-System – nämlich den Betreiber der Plattform, auf der man seine Kryptowährungen verleiht bzw. leiht, sie staked oder einen anderen den DeFi-Zauber veranstaltet, der da eben möglich ist.

Diese „dezentralen Mittelsmänner“ können z.B. Krypto-Börsen sein, die drumherum eine Vielzahl weiterer Services zu Bitcoin & Co. anbieten (wie beispielsweise den Kauf/Verkauf). Zusätzlich gibt es  spezialisierte(re) Dienstleister, die sich auf bestimmte Aspekte der Angebotswelt fokussieren. Diese Plattformen, egal ob Börse oder Spezialist, sind für Angreifer ein verlockendes Ziel. Schließlich laufen hier doch diverse Fäden zusammen – womit sich optisch ein Spinnennetz aufdrängt, mit einem zentralen Strippenzieher in der Mitte.

Merke: Nur weil etwas DeFi bzw. „dezentralisiert“ heißt und dezentralisierte Technologie benutzt, ist es noch lange nicht 100% dezentral. Sei’s drum! – Direkter als das Geschäftsbankensystem des 20. Jahrhunderts ist es definitiv. Im Übrigen ist es erwartbar, dass genau diese Krypto-Usecases bald auch von den „alten“ Geschäftsbanken angeboten werden, aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Am Ende geht’s um mehr Kohle, wie immer und überall!

Machen wir uns nichts vor, aus reiner Wohltätigkeit verleihen die wenigsten Menschen und Unternehmen ihr Geld bzw. ihre Kryptos. Zinslose Darlehen haben sich trotz Negativzinsen auf Sparguthaben mit Ausnahme von ein paar Lockangeboten noch nicht durchgesetzt. Das wird auch so bleiben. Trotz der gegen Null tendierenden Aussicht, dass sich zeitnah etwas an den Zinssätzen etwas ändern wird.

Die Kostenstruktur von Krypto- und der realen Finanzwelt ist unterschiedlich. Während eine institutionelle Bank hohe laufende Kosten durch Angestellte, Filialen, Geldautomaten, Rechenzentren und was-sonst-noch-alles hat, ist ein Smart Contract auf einer Blockchain vergleichsweise billig. Das bisschen Gas für die Transaktion und die Fees der Portalbetreiber ermöglichen einen höheren Ertrag für den Verleiher/Gläubiger respektive geringere Kosten für den Schuldner.

DeFi und der Interessenkonflikt: Hohe Renditen vs. niedrige Zinsen

Es liegt in der Natur der Sache, dass beide Parteien durchaus gegenläufige Interessen haben: Der Schuldner möchte so wenig wie möglich bezahlen. Der Gläubiger hingegen möchte so viel wie möglich bekommen. Purer Kapitalismus in Form von Angebot und Nachfrage. Und genau hier liegt eine gewisse Herausforderung: Die Zinsen, die ein Gläubiger zahlen muss, dürfen in der Kryptowelt nicht zu hoch werden. Wenn es in der realen Welt bei der Bank um die Ecke einen Kredit für erheblich geringere Kosten gibt, ist der Anreiz für viele gering, sich online mit frischem Kapital zu versorgen.

Bei DeFi gibt es außerdem Wettbewerb zwischen den Anbietern. Mit den Geschäftsbanken kommen über kurz oder lang weitere Wettbewerber hinzu. Die jüngste Meldung, dass Banken in den USA nun auch die Verwahrung sowie den Handel von Bitcoin anbieten dürfen, ist ein Beispiel hierfür. Auch in Deutschland laufen die entsprechenden Antragsverfahren diverser Finanzdienstleister bei der BaFin.

Dieser Wettbewerb sorgt zwangsläufig dafür, dass sich das potenzielle Kapital aufteilt, sodass das Angebot bei den einzelnen Anbietern also für sich genommen jeweils geringer ist. Es bilden sich in der Folge Meta-Anbieter heraus, die als Vergleichsportale agieren und die unterschiedlichen Angebote untereinander darstellen, um das für den Kunden jeweils beste Angebot auswählbar zu machen. Grundsätzlich ist dies eine gute Sache, aber auch hier leben die Anbieter nicht von Luft und Liebe.

Hat DeFi jetzt eine Zukunft oder nicht?

Um es auf den Punkt zu bringen: DeFi wird bleiben, die Nutzung von Smart Contracts und Blockchains anstelle institutioneller Anbieter sorgt allein schon für relevante Vorteile – kostenseitig wie auch prozessual. An einem Smart Contract muss kein Sachbearbeiter eine Entscheidung treffen, das macht das Ding bereits automatisch und 100% fair. Auch bei den Anwendungsfällen selbst sind wir noch lang nicht am Ende der Möglichkeiten angelangt. Vergessen sollten wir allerdings nicht, dass die steigende Komplexität von Finanzprodukten bei gleichzeitiger sinkender Sinnhaftigkeit schon mehr als einmal seinen Teil zum Chaos beigetragen hat – Stichwort „Credit Default Swaps“ & Co. als Mitauslöser der Finanzkrise 2008.

Von wie viel Geld sprechen wir?

Aktuell sprechen wir zudem immer noch von sehr, sehr, sehr geringen Volumen, auch wenn die Anlagevolumen stetig und durchaus exponentiell steigen. Dies lässt sich standesgemäß gut auf der Plattform https://defipulse.com/ beobachten. In DeFi sind laut deren Aussage per Stand 23.07.2020 3,4 Milliarden USD allokiert – für sich genommen ganz sicher eine Menge Geld, aber in der Gesamtheit eher vernichtend wenig. Zum Vergleich eine Zahl von statista.de: „Zum Ende des Jahres 2019 beliefen sich die Spareinlagen der deutschen Privathaushalte auf eine Summe von rund 558,1 Milliarden Euro.“. Damit haben wir das 160-fache Volumen, allein in Deutschland, in quasi einem einzigen Anwendungsfall.

Fazit: Da geht noch was!

Mit jedem Euro/Dollar, der zusätzlich in DeFi-Kontrakte fließt oder für den die jeweiligen Token gekauft werden, steigt der Wert des Kryptomarktes insgesamt. Damit steigen auch das Interesse und die Entwicklung weiterer DeFi-Cases bleibt interessant. Auch eine Art Blasenbildung, aber das liegt in der Natur der Sache. Für DeFi gibt es jedenfalls in allen Betrachtungen noch unglaublich viel Luft nach oben, weshalb wir auch noch lange nicht am Ende des Hypes angekommen sind.

[Bildquelle: Shutterstock.com]

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