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Facebook, Libra und die Frage der digitalen Identität (Teil 1)

Marius Kramer
Marius Kramer
Marius Kramer
Autor*in:
Marius Kramer
Writer
17. Juli 2019

Eines der Themen (vielleicht auch das Thema), das in den letzten Wochen die meiste mediale Aufmerksamkeit auf sich zog, war Facebook mit seinem Coin namens Libra. Libra wird eine ‚Kryptowährung‘ sein, die in ihrer Funktion mit einem Stablecoin zu vergleichen ist und es den Nutzern des Facebook Kosmos (Facebook, WhatsApp und Messenger) ermöglichen soll, Zahlungen damit zu tätigen.

Mit Libra bricht Facebook einige der best-practices hinsichtlich Design und Konzeption einer (dezentralen) Kryptowährung (Stichwort Validatoren und Zentralisierung). Ferner möchte Facebook mit einem neuen Standard eine noch größere Kontrolle über unsere digitalen Identitäten erlangen.

Wir haben uns dies zum Anlass genommen über das Thema digitaler Identitäten aufzuklären und ein Verständnis dafür zu schaffen, was Facebook mit Libra erreichen will und welche Alternativen es für digitale selbst-souveräne Identitäten gibt. In dem ersten Teil unserer Artikel-Reihe erfährst du, was hinter dem Begriff der ‚digitalen Identität‘ steckt und welcher Zusammenhang zu Facebook und Libra besteht. Im zweiten Teil wirst du erfahren, warum es so wichtig ist die Kontrolle über die digitale Identität zu behalten und wie du dies erreichen kannst. Weitere Artikel zu dem Thema werden folgen.

Unser Artikel basiert auf dem aktuellsten Blog Post von helix id, ein Startup, welches sich dem Thema Selbst-Souveräner und digitaler Identitäten (SSID) widmet und diese mit Hilfe von Blockchain lösen will.

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Facebook Coin Libra als Katalysator für den Kryptomarkt

Den jüngsten Anstieg des Bitcoin Kurs auf ein zwischenzeitliches Hoch von 13.800 USD, sahen manche Analysten als klares Zeichen dafür, dass der Facebook Coin Libra die Krypto Märkte antreibt. Die damit verbundene These, dass der Hype um Libra mehr allgemeines Bewusstsein für Kryptowährungen schaffe, kann durchaus als bestätigt gesehen werden. Denn nach der offiziellen Ankündigung von Libra, äußerten sich unzählige Personen des öffentlichen Lebens dazu und sowohl Politiker als auch Staaten übertrumpften sich in der Frage „wer als erstes einen Kommentar zu Libra abgibt“.

Steigt man allerdings etwas tiefer in die Thematik ein, wird schnell offensichtlich dass Libra und die ursprüngliche Zielrichtung von Kryptowährungen durchaus gegensätzlicher Natur sind. Während Facebook und auch Libra weiterhin für Zentralisierung stehen, sind Bitcoin und Co. Repräsentanten von dezentralen Systemen. 

Unsere These lautet:

Eines der Erfolgsrezepte von Facebook in den letzten Jahren war die zentrale Verwaltung digitaler Identitäten. Denn das Wissen über die eigenen Nutzer und deren Verhalten (engl. user-behaviour) ist enorm wertvoll und wird beispielsweise als Basis für individuelles Advertising genutzt. Nun versucht der Social Media Gigant diesen Erfolg auch auf digitales Geld zu erweitern. Daher ist es umso wichtiger zu verstehen, welcher Gedankengang hinter Libra steht.


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Facebook, Libra und die Frage der digitalen Identität

Das Libra-Whitepaper bietet einigen Zündstoff und sehr viele Informationen. Zunächst einmal gibt es nicht ‚das eine‘ Whitepaper von Facebook. Es ist vielmehr so, dass es eine Art Business Summary gibt und zusätzliche Whitepaper, die jeweils auf spezifische Probleme und Lösungen eingehen. So gibt es beispielsweise ein extra Paper, das erklärt wie die Wertstabilität von Libra garantiert wird und welche weiteren ‚geldpolitischen‘ Maßnahmen dafür getroffen werden. Somit ergibt sich ein ziemlich detaillierter Ein- und Ausblick auf die damit verbundene zukünftige Gestaltung von Facebook & Libra.

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Die Digitale Identität als Key Ressource von Facebook

So will Facebook beispielsweise einen offenen Standard für digitale Identitäten in ihrem eigenen, geschlossenen Ökosystem schaffen. Denn digitale Identitäten sind für Facebook und Libra enorm wichtig. Der Grund ist trivial: denn um nachzuweisen, dass Libra nur für zulässige Überweisungen genutzt wird, muss es seine Nutzer genau identifizieren können. Die erste Anforderung entspricht den gesetzlichen Regularien und stammt nicht von Facebook selbst. In diesem Punkt ist es also „dazu verpflichtet“ nachzuweisen, dass nur echte und authentifizierte Nutzer Libra benutzen. Die Identifizierung der Person (= know your customer, KYC) möchte Facebook jedoch selbst durchführen. Damit wird Facebook auch ein realistisches Bild erhalten, wie viele ihrer Nutzer tatsächlich echt sind. Dadurch wird allerdings auch klar, dass Facebook Libra als Vehikel benutzen könnte, um mit digitalen Identitäten den eigenen Führungsanspruch im Internet auszuweiten und zu zementieren.

Libra gibt uns also eine einmalige Chance, um über “wahre”, dezentrale und anonyme Kryptowährungen aufzuklären – doch digitales Geld ist nur eine Seite der Medaille. Die zweite Seite ist, dass digitale Identitäten genauso frei und unabhängig sein müssen. Und diese zweite Seite der Medaille sollte nicht unterschätzt oder gar ignoriert werden, auch wenn sie das häufig wird. Selbst erfahrene Nutzer von Kryptowährungen sehen noch nicht in Gänze die Gefahren, wenn sowohl digitales Geld als auch die damit verbundenen Identität von einer einzigen Plattform kontrolliert wird.

Wer sich dieser Zentralisierung entziehen will, sollte sich mit dem Thema selbst-souveräner Identitäten (self-sovereign identities = SSI) beschäftigen. Bevor wir dies tun, machen wir nochmals einen gedanklichen Schritt zurück und fragen uns, was genau eine digitale Identität ist.

Was ist eine digitale Identität?

Mit einer digitalen Identität lassen sich Personen oder Objekte durch Computer eindeutig identifizieren. Anders formuliert: Reale Personen werden durch ihre digitale Identität in der virtuellen Welt repräsentiert. Für die digitale Identität lassen sich verschiedene Merkmale nutzen.

Während für eine Identität in der realen Welt Attribute zur Charakterisierung von Personen wie körperliche Merkmale oder persönliche Daten herangezogen werden, kommen für digitale Identitäten elektronisch „prozessierbare“ Merkmale zum Einsatz. Konkret heißt das Folgendes:
Während wir im echten Leben durch Name, Körpergröße, Hautfarbe, Fingerabdruck, Geburtstag etc. unsere eigene Identität formen, sind es in der digitalen Welt andere (sich aber teilweise überschneidende) Merkmale.

Eine digitale Identität hingegen kann – beispielsweise für die Interaktion in einem Forum – lediglich aus Benutzernamen und einem Passwort bestehen. Dies wäre ein Beispiel für eine digitale Identität, über die wenige Informationen bekannt sind. Im Fall von Facebook und unserer damit verbundenen digitalen Identität sieht die Rechnung jedoch anders aus. Denn auf Facebook geben wir unseren echten Namen an, unseren beruflichen Werdegang, teilen private Erlebnisse und sprechen mit unseren Freunden.

Kurzum: wir projizieren unsere reale Identität auf unsere digitale Identität in einem Maß, das unglaublich privat ist.

User Behaviour + Kaufverhalten = Wissensvorsprung

Um es in der Sprache des Social Media Giganten auszudrücken: Facebook gefällt das. Denn Facebook wird zukünftig zusätzlich zum digitalen “Fußabdruck”, den wir alle beim Surfen hinterlassen, zusätzliche Informationen über unser Kaufverhalten und unsere Zahlungsströme erhalten, falls wir zusätzlich Libra verwenden.

Um es an einem Beispiel festzumachen: du hast eine gewisse Affinität für Mode und dir gefällt auf Facebook der Online-Versandhändler Zalando. Da du dich speziell für Herrenmode interessierst, likest du ab und an solche Bilder. Facebooks Algorithmus erkannt dieses spezielle Verhalten und wird dir zukünftig mit hoher Wahrscheinlichkeit Werbung für Herrenmode, bestenfalls von Zalando, vorschlagen. Wenn du jetzt zusätzlich Libra benutzt, um direkt eine Bestellung von der Facebook Seite aus zu tätigen, wird Facebook diesen Zahlungsvorgang auch bemerken und dokumentieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass du zukünftig ähnliche Kleidungsstücke wie das von dir bestellte Kleidungsstück vorgeschlagen bekommst, ist jetzt enorm hoch.

Das Beispiel soll zeigen, dass die Verknüpfung dieser Informationen ein noch umfangreicheres Profiling ermöglicht und Facebooks Vorsprung als “Big Brother” sichert – genau nach George Orwells Geschmack.

Wie alles begann: Login via Facebook

Jetzt magst du dir vielleicht denken: Nun ja. So schlimm ist das alles nicht. Schließlich bin ich kaum auf Facebook unterwegs und Likes verteile ich schon seit Jahren nicht mehr.

An diesem Punkt eine kleine Erinnerung: Facebook ist nicht nur beliebt, weil es uns viele Services, News und die schnelle Möglichkeit der Kontaktanbahnung und des Netzwerkens gibt. Facebook hat dem Internet nämlich eine nicht mehr wegzudenkende Funktion geliefert: Login via Facebook bzw. mit Facebook einloggen.

login via facebook

Dieser unscheinbare Button war eine Art Revolution in der modernen Geschichte des Internets. Denn in der Vergangenheit gab es keine (bzw. nur sehr wenige und nicht sonderlich gute) Möglichkeiten Online seine Identität aus- und nachzuweisen. Mit der Einführung des Login with Facebook-Buttons erhielt plötzlich jeder Nutzer die Möglichkeit, seine eigene Identität zu verwalten und auf andere Kontexte zu transferieren. Anders gesagt: wir können den Button nutzen, um uns bei Drittanbietern zu registrieren und einzuloggen. Man denke hierbei an Services wie Airbnb, Spotify, Tinder, Uber, Snapchat und viele weitere.

(An dieser Stelle kannst du dich gerne fragen, wie oft du bereits aus Gründen der Bequemlichkeit den Login mit Facebook benutzt hast.)

Unsere digitale Identität gehört nicht uns

Und genau hier schließt sich der Kreis. Wer Facebook selbst zwar nur selten nutzt, hinterlässt dennoch eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Informationen, wenn er sich bei Drittanbietern mit Facebook anmeldet. Denn auch hier dokumentiert und protokolliert Facebook das Verhalten des Nutzers.

Natürlich bietet diese Methode auch Vorteile. Denn es ist ein Weg, um Zeit zu sparen, Sicherheit zu gewinnen und Phising-Attacken zu erschweren. Alleine durch den Button entwickelte Facebook eine Reichweite auf 8,4 Millionen Webseiten während es parallel dazu tiefere Einblicke in unsere Online-Identität erhält.

Anders ausgedrückt: Facebook gibt uns sehr gute und effiziente Reisepässe für das Internet, mit denen wir uns (fast) überall anmelden können. Die Prämisse hierbei lautet jedoch, dass jede Reise kontrolliert und dokumentiert wird.

 Was können wir also dagegen tun?

Facebook zu verlassen ist schmerzvoll und (noch) voller Nachteile…

Eine Zusammenfassung: Plattformen wie Facebook erfreuen sich großer Beliebtheit und diktieren in ihrer Position als Monopolisten häufig die Marktbedingungen. Es kann sich kaum noch jemand diesen Plattformen entziehen, denn ohne Alternative entsteht Abhängigkeit. Letztendlich entscheidet die Auffindbarkeit im Netz darüber, ob man als Online Unternehmer Umsatz macht oder nicht. Facebook zu boykottieren oder gar für immer zu verlassen kann also schwerwiegende Nachteile für digitale Geschäftsmodelle mit sich bringen.

Erneut bildlich gesprochen: Facebook zu verlassen ist damit vergleichbar seine Staatsbürgerschaft und seinen Reisepass aufzugeben. Man gibt seine Identität für Freiheit auf und verliert dadurch Rechtssicherheit, Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, sein Wahl- und Aufenthaltsrecht und vieles mehr – solange es niemanden gibt, der dir eine andere Staatsbürgerschaft anbietet. 

Und genau diese Fragen werden wir im zweiten Teil des Artikels beantworten. Was wäre, wenn es jemanden gibt der dir eine andere Staatsbürgerschaft anbietet. Wie könnte eine völlig dezentrale Verwaltung der eigenen Identität aussehen und welche Konsequenzen hätte dies?

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[Bildquelle: Shutterstock]