CryptoMonday
Home News B58 Talk: Im Interview mit Martin Diehl

B58 Talk: Im Interview mit Martin Diehl

Marius Kramer
Marius Kramer
Marius Kramer
Autor*in:
Marius Kramer
Writer
12. April 2018

Martin Diehl ist Leiter der Gruppe für Zahlungsverkehrsanalyse bei der Bundesbank. Während der Crypto Assets Conference 2018 hat er mit uns über Crypto Assets gesprochen und darüber, warum Bitcoin aus seiner Sicht keine Währung ist. Das Interview führte Tobias Latzke.

Base58: Hallo, ich bin Tobias Latzke von Base58 und neben mir sitzt Martin Diehl, Leiter für Zahlungsverkehrsanalyse bei der Bundesbank. Wir unterhalten uns heute über Digital Assets. Vielleicht erstmal zum persönlichen Hintergrund, seit wann beschäftigen Sie sich persönlich und seit wann beschäftigt sich die Bundesbank mit Crypto Assets?

Das ist deckungsgleich, weil ich das in meinem Beruf tue. Seit gut vier Jahren beschäftigen wir uns zunächst mit Bitcoin, mit Crypto Assets wenn Sie so wollen, sind dann aber eigentlich relativ schnell übergegangen uns mehr mit der Technologie zu beschäftigen. Mit Distributed Ledger Technologie. Seit November/Dezember, seit dem Hype um den Preis von Bitcoin und anderen virtuellen Währungen, ist auch dieses Thema wieder verstärkt in den Vordergrund gerückt, so dass wir uns momentan auch wieder verstärkt damit beschäftigen müssen in Artikeln, Vorträgen und Reden.

Base58: Okay, sie sagen Blockchain im Allgemeinen. Aber ich nehme schon an, dass für die Bundesbank vor allen Dingen die großen Public Ledger interessant sind und nicht was vielleicht auf Privat Ledgern experimentiert wird, wo Konsortien Geschäftsmodelle auf Blockchain abbilden, sondern wo es wirklich um das Erzeugen von Assets auf der Blockchain geht.

Also wir sind nicht daran interessiert, dass neue Assets erzeugt werden, auch in der Blockchain. Auch konkret an sogenannten virtuellen Währungen, wir nennen das heute Crypto Tokens, sind wir nicht interessiert. Wir haben eine Währung, den Euro. Wir sind für die Stabilität des Euro, mit unseren Partnern im Eurosystem, verantwortlich. Wir brauchen keine andere Währung. Wir sind an der Technik interessiert und da nicht an Public Ledgern, weil wir nicht glauben, dass das im Finanzsystem anwendbar ist, sondern wenn überhaupt dann werden es private, geschlossene Blockchains sein auf denen man zum Beispiel Wertpapierhandel, vielleicht auch Zahlungsverkehr, Blockchain-basiert abwickeln kann. Das versuchen wir zu experimentieren und heraus zu finden.

Base58: Da sehen sie eher die Zukunft. Trotzdem denke ich, müssen sie sich ja als „Hüter des Geldes“ auch mit den privaten Alternativen beschäftigen die jetzt gerade so populär sind.

Natürlich. Mit virtuellen Währungen oder Crypto Tokens, wie wir es jetzt neuerdings nennen, ist schon die Frage über die Bedeutung von Geld – welche Funktionen Geld erfüllt, was kann Geld sein – neu gestellt. Und dieser Frage müssen wir uns stellen. Da weichen wir auch nicht aus. Deswegen gehen wir auch sehr offensiv vor, haben wir sehr, sehr viele eigene Veranstaltungen wo wir informieren, wie wir Crypto Tokens einschätzen und wo wir auch Gefahren sehen für die Bürger, vielleicht auch das Finanzsystem.

Base58: In einer Veröffentlichung der Bundesbank habe ich kürzlich gesehen, Sie sehen Crypto Assets nicht als Währung an. Warum nicht?

Eine Währung ist es sowieso nicht. Das ist relativ einfach. Eine Währung ist ja eigentlich das staatliche Geldsystem. Davon können wir hier nicht sprechen.

Der Begriff ist irreführend übersetzt eigentlich. Man kam von dem englischen „currency“. Das hört sich so ein bisschen unverfänglicher an, weil wenn das einfach bezeichnet wird einfach umläuft – „current“ eben. Aber eine Währung, das ist ein staatliches System, das würden ja auch die Vertreter von den Crypto Tokens selbst nicht sagen. Was wir auch geschrieben haben, ist, dass es aus unserer Sicht kein Geld ist, weil es die Geldfunktionen nicht im relevanten Maße erfüllt. Das wäre erstens: etwas ist dann Geld, wenn es für Zahlungszwecke genutzt wird. Es wird mit Bitcoin sehr, sehr wenig gezahlt. Die Allermeisten halten es als Spekulationsobjekt. Die zweite Funktion wäre, dass es als Wertaufbewahrungsmittel verwendet wird. Das sehen wir auch nicht, allein die Preisvolatilität spricht ja dagegen. Es ist eine unglaublich hohe Volatilität beim Preis von Bitcoin und praktisch allen anderen Crypto Tokens. Und das dritte, dass es eine Recheneinheit ist. Das ist offensichtlich, Bitcoin ist keine Recheneinheit. Der Preis von Bitcoin wird nach wie vor in Dollar angegeben und nicht umgekehrt.

Base58: Gut, gehen wir die einzeln nochmal durch. Als Zahlungsmittel würde ich jetzt sagen, ja, die Adoption ist sehr gering. Aber das sehe ich nicht unbedingt als inhärent im System. Also manche sagen es ist zu umständlich, da kann man an der Benutzerführung natürlich noch einiges machen. Andere sagen es ist zu teuer, da kommen jetzt Second Layer Protokolle wie das Lightning Netzwerk, da wird es dann rasend schnell extrem kostengünstig. Das könnte der Funktion als Zahlungsmittel nochmal neuen Vortrieb leisten. Das sehe ich so, dass es diese Funktionen ganz gut erfüllen kann. Bei Store of Value denke ich, man kann da die Eigenschaften angucken die etwa Bitcoin hat (…) und vergleichen mit den Eigenschaften, die Gold oder die unser Zentralbankgeld hat. Ich sehe es irgendwo dazwischen. Also wenn wir sagen, was macht Gold als Store of Value aus: es ist selten. Das kann man für Bitcoin auch sagen. Die Zahl ist auf 21 Millionen begrenzt, weit weniger als es Feinunzen Gold gibt, soweit ich weiß. Wie sehen Sie das mit den Eigenschaften?

Der Vergleich mit Gold ist sehr gewagt. Ich neige dazu, das als eine Art Marketingtrick anzusehen, dass man diejenigen, die sich Bitcoin selber gutschreiben dürfen, als „Miner“ bezeichnet.

Der wichtigste Unterschied zwischen Gold und Bitcoin ist, Gold existiert real.

Gold ist ein reales Metall, was einen hohen intrinsischen Wert hat, der sich daraus speist, dass es fast nicht reagiert mit anderen Dingen, also sehr lange haltbar ist – praktisch ewig – und als Industriemetall von ganz besonderer Bedeutung ist. In sehr, sehr vielen Anwendungen, davon abgesehen auch als Schmuck. Auch weil es sehr haltbar ist.

Bitcoin ist nicht real. Bitcoin ist virtuell.

Virtuell heißt hier praktisch frei erfunden, nur scheinbar da. Was aber nicht real ist, kann keinen intrinsischen Wert haben. Güter die als Geld funktionieren, entweder Gebrauchsgüter wie Gold oder Verbrauchsgüter wie Zigaretten nach dem Zweiten Weltkrieg, haben immer einen intrinsischen Wert, einen Gebrauchswert oder Verbrauchswert. Virtuelle Güter haben keinen intrinsischen Wert. Man kann sie nicht gebrauchen oder verbrauchen, man kann sie nur tauschen.

Der Unterschied zu Zentralbankgeld, Zentralbankgeld ist auch kein Gut mit einem Gebrauchs- oder einem Verbrauchswert, wenn man mal von dem Brennwert der Noten absieht, oder dem reinen Metallwert der Münzen. Aber Zentralbankgeld ist von der Zentralbank emittiert. Das ist eine Forderung an die Zentralbank, dahinter steht eine Zentralbank und mit ihr das gesamte Rechtssystem, der gesamte Staat der diese Zentralbank so geschaffen hat. Im Idealfall Stabilitätsorientiert und unabhängig vom Staat, so dass eine Stabilität des Geldes auch glaubwürdig erscheint.

Bitcoin ist nicht emittiert. Es steht niemand dahinter.

Es nimmt ihn niemand wieder ab im Zweifel. Das heißt es ist frei erfunden, damit ist der Wert auch völlig frei, jeder Wert ist denkbar. Es hat keinen intrinsischen Wert, und deswegen kann es auch keine Wertaufbewahrungsmission haben.

Base58: Und der Zentralbank-Euro ist eine Forderung worauf? Also was kann ich im Zweifelsfall dafür claimen, außer dass ich meine Steuern damit bezahlen kann?

Das ist schon ziemlich viel. Wenn ein Staat dahinter steht, wissen Sie als Bürger, zumindest kann ich dem Staat dieses Geld zurückgeben und alle Forderungen die der Staat an mich hat, für die öffentlichen Güter die bereit gestellt werden, können damit bezahlt werden.

Base58: Ich sehe Bitcoin tatsächlich eher als digitales Gold, trotzdem als digitales Geld. Und das vor allen Dingen auf Grund der starren Geldmenge bei Bitcoin. Eine Position, die Sie auch vertreten ist, dass wir Preisstabilität brauchen. Das ist mit einer starren Geldmenge vermutlich nicht ohne massives Umstrukturieren in ganzen Weltwirtschaften möglich. Also diese Konjunkturzyklen und die Geschwindigkeit des Geldes irgendwie auszugleichen.Von daher denke ich, dass wir diese flexible Geldmenge, die Zentralbankgeld hat, benötigen werden. Ich denke, da stimmen wir überein. Spricht etwas dagegen, trotzdem einen digitalen kryptographisch abgesicherten Euro auf Grundlage dieser Technologie einzuführen, wo wir die Eigenschaften eines Immutable Ledgers haben, wo wir die Fälschungssicherheit haben, aber die Geldmengen und die Geldschöpfung nicht aus der Hand geben, sondern in der Hand der Zentralbank lassen? Würde das Sinn machen?

Also die Debatte eines digitalen Zentralbankgeldes wird schon geführt. Öffentlich, aber auch innerhalb der Zentralbank im Austausch mit anderen Zentralbanken.

Es gibt eine Zentralbank, die schwedische Reichsbank, die sagt sie möchten konkret eine E-Krone erschaffen, also eine digitalisierte Version der schwedischen Krone.

Aus Gründen die, soweit ich das sehe, andere Zentralbanken nicht teilen. Das hat damit zu tun, dass in Schweden die Nutzung von Bargeld sehr stark zurück geht und man der Bevölkerung ein Instrument an die Hand geben will, mit dem sie dann immer noch Zugriff auf Zentralbankgeld hat. Die Bevölkerung, die Nicht-Banken, haben ja keinen Zugang zu Zentralbankgeld, außer über Bargeld. Dieser Aspekt, den die schwedische Reichsbank vorstellt, spielt in anderen Ländern keine Rolle. Auch Länder, die eine ebenso geringe Bargeldquote haben, oder eine sehr stark schrumpfende Bargeldquote wie Dänemark, teilen diese Argumentation der schwedischen Reichsbank nicht.

Die Bundesbank hat dazu sehr deutlich erklärt, dass diese Idee einer digitalen Währung, eines digitalen Euro der frei verfügbar wäre, zum Beispiel wie Bargeld, auch für Nicht-Banken, dass das sehr schwere Implikationen für unser Finanzsystem, für unser Wirtschaftssystem hätte, die wir untersuchen.

Aber dass das aus diesen Gründen, den bisher noch unabsehbaren Folgen, auf absehbare Zeit unrealistisch erscheint. Von welchen Folgen spreche ich? Wir müssen davon ausgehen, dass eine digitale Form des Euro, die dann neben die bare Form und die unbare Form tritt, dass die Substitutionseffekte auslösen könnte zwischen den Geldformen. Dass Bürger statt Sichtguthaben bei Geschäftsbanken zu halten, einfach den digitalen Euro hielten. Dann den auch für Zahlungszwecke verwenden könnten, wenn das denn effizient gestaltet wäre und wir mit den möglicherweise starken Substitutionen von Sichtguthaben einen digitalen Euro hätten.

Base58: Hört sich aus Sicht der Bevölkerung erstmal gar nicht so schlecht an.

Kann sein, aber wollen wir das? Wir haben ja die Banken auch, um die Kreditversorgung sicher zu stellen. Wir stellen eine bestimmte Basisgeldmenge bereit. Die wird dann von den Banken durch, wie man das nennt, Geldschöpfung vermehrt. Da werden Kredite ausgegeben. Und das kann man mithilfe des Geldmultiplikators einigermaßen quantitativ bestimmen. Ganz grob gesagt, wenn die Sichtguthaben aber auch nur zu einem kleinen Teil verschwinden bei den Banken, ändert sich der Geldmultiplikator. Wir müssten möglicherweise auch eine größere Basisgeldmenge bereitstellen, um die gleiche Kreditversorgung zu gewährleisten. Mithin hätten wir auch Risiken in der Zentralbankbilanz, weil wir dort dann mehr Geld schaffen müssten, was wir immer nur gegen Sicherheiten tun. Und über all diese Dinge müssen wir erstmal tiefer nachdenken. Wir halten es für momentan auch nicht vertretbar, da in irgendeiner Richtung weiter fortzugehen, außer rein analytisch darüber nachzudenken. Es kommt etwas hinzu, was man eigentlich an den Anfang stellen sollte. Wir wissen bis jetzt nicht warum wir das tun sollten, aus welchem Grunde. Es gibt eigentlich keine Aspekte, wo wir sagen, da erfüllen wir dann ein Bedürfnis was wir so nicht erfüllen können mit Bargeld oder mit unbaren Zahlungsmitteln wie wir sie gegenwärtig haben. Wir sehen keinen guten Grund dafür, warum wir es tun sollten. Wir sehen viele Risiken, die wir erstmal besser analysieren müssen.

Base58: Ist Falschgeld ein ernstzunehmendes Problem im physischen Zentralbank Euro? Weil das würde man ja relativ gut in den Griff kriegen mit einem Krypto Euro.

Da bin ich nicht sicher, über ihre Aussage, dass man das leichter in den Griff kriegen könnte.

Base58: Das gilt als Fälschungssicher.

Wie gesagt, das würde ich bezweifeln. Ich habe die aktuelle Anzahl nicht parat, wie hoch der Anteil an Falschgeld ist, wir veröffentlich das jedes halbe Jahr. Es ist wieder deutlich zurück gegangen mit der Einführung der neuen 50 Euro Scheine. Wir müssen daran ständig arbeiten das wir die Kriminalität, die Falschgeldkriminalität weiter eindämmen. Die Gefahr für einen Bürger, einen falschen Euroschein zu bekommen, ist sehr, sehr gering.

Base58:  Und wie sieht es aus mit Smart Contracts, programmierbares Geld? Es gibt viele Dinge die gerade im Kontext von Blockchain oft erwähnt werden, wo wir sehr viele neue Wertschöpfungsketten am Horizont sehen, wo sich viel verschieben wird, wo es aber eben erforderlich sein wird, Geld wirklich nicht nur als Message zu transferieren, sondern den echten Werttransfer über einen Smart Contract verwalten zu lassen. Das ist so in der Form, wie wir heute Euros haben, nicht möglich.

Selbstverständlich sind Smart Contracts eine Anwendung, wo Effizienzvorteile durch Distributed Ledger Technologie winken. Wo wir damit rechnen könnten, dass wir Effizienz gewinnen. Aber die Frage stellt sich, warum muss das mit Zentralbankgeld betrieben werden. Man könnte auch Geschäftsbankengeld damit nehmen. Für viele Anwendungen reicht ja Geschäftsbankengeld völlig aus. Also ein digitalisierter Euro, in einer privaten Blockchain, von einer Firma bereitgestellt die mit ihren Kunden dort interagiert. Und ob die das jetzt mit einem kommerziell käuflichen Buchungssystem machen, oder mit einer Distributed Ledger Technologie ist ja komplett egal. Sie arbeiten heute mit Geschäftsbankengeld, warum sollen sie das nicht in Zukunft tun.

Ob wir für Anwendungen die die Zentralbank betreibt, in denen Zentralbankgeld dringend benötigt wird, ob wir dahin kommen, dass wir die mit der DLT besser betreiben könnten, zum Beispiel Target2-Securities, unser Wertpapierabwicklungssystem, das ist eine ganz andere Frage.

Falls wir jemals dahin kommen, dann wäre allerdings nur der sogenannte Wholesale Bereich, es trifft ja nicht die Nicht-Banken. Es wäre eine geschlossene Blockchain, wo man möglicherweise einen digitalen Euro dort einsetzt, um den Handel zu ermöglichen, weil wir diese Technik nun einmal nutzen. Aber genauso wie bei Target2-Securities heute, wo kein Geld über Nacht bleibt. Das gesamte Geld was in Target2 Securities zur Abwicklung des Handels verwendet wird, wird am Morgen über Dedicated Cash Accounts eingeschossen und am Abend, vor Geschäftstagesschluss, wieder zurückgeführt in Target2. So dass sie keine Bilanzeffekte haben, keine Substitutionseffekte. Das könnte man theoretisch auch mit digitalisiertem Geld machen. Das hätte keine Außenwirkung, hätte auch keine geldpolitischen Implikationen. Ob wir das machen, hängt aber rein von der Effizienz der Technik ab und davon sind wir weit, weit entfernt bisher das zu wissen.

Base58: Es gibt ja das berühmte Zitat von Bill Gates: „Wir werden immer Banking brauchen, aber wir werden nicht immer Banken brauchen“. Geht es darum, das Geschäftsmodell der Geschäftsbanken zu erhalten?

Die Geschäftsbanken selber sind nicht unser Ziel. Wir haben kein Interesse irgendeine Institution zu erhalten. Unser Ziel ist Geldwertstabilität und Finanzsystemstabilität. Und daran muss sich alles messen lassen.

Base58: Herr Diehl, vielen Dank für Ihre Zeit!