CryptoMonday
Home News B58 Talk: Dominik Weil über die Crypto-Welt in Vietnam

B58 Talk: Dominik Weil über die Crypto-Welt in Vietnam

Marius Kramer
Marius Kramer
Marius Kramer
Autor*in:
Marius Kramer
Writer
03. Juli 2018

Dominik Weil ist Crypto-Enthusiast der ersten Stunde. 2014 hörte er auf sein Herz und verlagerte seine Crypto-Passion nach Vietnam. Dort gründete er das Bitcoin Saigon Meetup, ist Co-Founder der ersten vietnamesischen Crypto-Exchange und Speaker für digitale Währungen und Blockchain. 

Kurzbiografie von Dominik Weil

Der gebürtige Frankfurter enterte die Bitcoin-Welt schon 2012. Seine ersten Aktivitäten fußten auf der Mitgründung der Frankfurter Community „Bitcoin Frankfurt“. Regulatorische Engpässe und die Liebe zu Vietnam verhalfen ihm seine Begeisterung nach Asien zu verlegen. Seit 2014 lebt er in Saigon/ Ho-Chi-Minh, der Hauptstadt Vietnams. Dort gründete er mit Kollegen die erste vietnamesischen Bitcoin Exchange (bitcoinVN), welche sich stetig weiterentwickelt und mittlerweile u.a. eine Remittance-Plattform und eine P2P-Tradingplatform integriert.
Der Crypto-Enthusiast erster Stunde rief darüber hinaus das Bitcoin Saigon Meetup ins Leben, ist Co-Organisator der Blockchain Konferenz „BlockFin Asia 2016“ und Speaker für Kryptowährungen und Blockchain.

Wir haben mit ihm über die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen Vietnams und die dortige Akzeptanz neuer Technologien – wie die Blockchain – gesprochen.

Base58: Hey Dominik, vielen Dank für Deine Zeit. Erzähle unseren Lesern doch zuerst einmal etwas über Dich und Deine Rolle im Bitcoin-Ökosystem.

Meine Reise „down the rabbithole” fing gegen Ende 2012 an. Nachdem mein langjähriger Freund und heutiger Teamkollege Alex mir das erste Mal von dieser kuriosen Idee einer Internetwährung ohne zentralen Herausgeber erzählte.

Die anfängliche Skepsis wandelte sich binnen drei Monate intensiver Recherche zu glühender Begeisterung. Es war wie als ob sich eine vollkommen neue Welt eröffnet hatte.

Schon zum damaligen Zeitpunkt wurde mir klar, dass ich meinen Job zum nächstbesten Zeitpunkt kündigen werde, um mich dem Crypto-Thema intensiver zu widmen.

Die erste aktive Rolle im Bitcoin-Ökosystem habe ich dann zum Sommer 2013 eingenommen. Wir riefen mit fünf bis zehn Leuten die “Bitcoin Frankfurt” Community ins Leben, welche nun bereits auf ihr 5-jähriges Jubiläum zusteuert. Zum damaligen Zeitpunkt war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass noch niemand im privaten und beruflichen Umfeld von “Bitcoin” gehört hatte.
Die Meetups waren damals eine Ansammlung eines kleinen Haufens “Eingeweihter”, die sich oftmals über Kommunikationskanäle wie Bitcointalk zusammenfanden.
Im Februar 2014 hatte ich meinen letzten Arbeitstag in meinem „herkömmlichen“ Job. Danach ist der Zeitpunkt gekommen, mich nach neuen Ufern umzusehen, an denen man seine Vision Wirklichkeit werden lassen kann.

Base58: Wie siehst du die Entwicklung der Crypto-Community in den letzten Jahren?

2013 bestand die prototypische Bitcoiner Zusammensetzung überwiegend aus „Nerds“ und „Anarchisten“. Die Wandlung der ganzen Szene innerhalb der letzten fünf Jahren kann man als extrem bezeichnen.

Diese besondere Energie, die du damals auf den Meetups und den frühen Konferenzen hattest – ausgelöst durch das räumliche Zusammenkommen all dieser üblicherweise von tiefem Idealismus beseelten Pioniere – ist auf dem Wege in Richtung des “Massenmarktes” sicherlich etwas verloren gegangen.

Über die Jahre hinweg hat bei vielen Leuten die Realität eingesetzt. Während es meines Erachtens gegenwärtig nach wie vor eines der interessantesten Berufsfelder darstellt, in dem man aktiv sein kann, hat man sich auf dem Wege durchaus so seine Schrammen geholt, Enttäuschungen erlebt und schlechte Erfahrungen gemacht.
Dazu zählt insbesondere die krypto-feindliche regulatorische Situation in Deutschland, die dazu geführt hat, dass ein Großteil der Early Adopter entweder dazu brachte ihre Projekte/Unternehmen ins Ausland zu verlagern oder auch wieder zurückzukehren in ihr vorheriges Angestelltenverhältnis.

Ich denke Deutschland hatte 2013 wohl die möglicherweise aktivste Szene europaweit. Angeführt von den Berlinern, gefolgt von anderen Standorten wie Köln, München, Frankfurt, Stuttgart.

Leider musste man miterleben wie ein Projektgründer nach dem anderen sich an der regulatorischen Situation in Deutschland die Zähne ausbiss. Da es oftmals gerade diese Leute waren, die am aktivsten in den Community-Aktivitäten involviert waren, hat sich deren Ausfall entsprechend drastisch auf den Aktivitätsgrad der lokalen Communities ausgewirkt.

Base58: Was hat Dich an Vietnam so fasziniert? Wie ist es dort um die Bevölkerungsentwicklung bestellt?

Auf der einen Seite hast du hier ein Land und eine Bevölkerung, welche einen Großteil des vergangenen Jahrhunderts im Kampf um die nationale Unabhängigkeit von kolonialer Besatzung verbrachte – und welche dabei in einem der mörderischsten Kriege seit dem zweiten Weltkrieg verwickelt war.
Im Rahmen des Vietnamkrieges wurden doppelt so viele Bomben abgeworfen wie im gesamten zweiten Weltkrieg. Die im vietnamesischen Boden verbliebenen Minen, Bomben und Agent-Orange-Residuen fordern heut jährlich noch immer tausende Opfer.
Im Westen ist das Bild von Vietnam immer noch entsprechend stark durch diverse bekannte den Vietnamkrieg darstellende Filme geprägt – Napalmbomben und Dschungel als die üblicherweise ersten Assoziationen.

Du spürst definitiv noch die Wunden, die rund drei Jahrzehnte Krieg am Stück in Vietnam und der vietnamesischen Gesellschaft hinterließen:
Das historische Erbe ist noch sehr präsent, da die ältere Generation der heute 60-70-Jährigen zum Kriegsende 20-30 Jahre alt war und den Krieg oftmals an vorderster Front miterlebte.
Auch durch die der harten Nachkriegsjahre bis zu den „Doi Moi”-Reformen – Mitte der 80er Jahre – die zu einer recht radikalen marktwirtschaftlichen Öffnung im Vergleich zum bisherigen zentralisierten Wirtschaftsplanung führten. Im Gegensatz zu den Ostblockstaaten in Europa, führten die noch rechtzeitig herbeigeführten marktwirtschaftlichen Reformen – im Schatten ganz ähnlicher Entwicklungen in China – zu einem rasanten wirtschaftlichen Aufschwung über die vergangenen drei Jahrzehnte.

Vietnam selbst sprüht nur so vor Unternehmergeist. Eine Umfrage aus 2015 durch PEW ergab, dass die Vietnamesen – dank der positiven Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte – jene Bevölkerung weltweit darstellen, die der freien Marktwirtschaft und der mit ihr verbundenen Vorteile für den Einzelnen, am positivsten gegenüberstehen.

Die gesellschaftliche Grundstimmung ist diametral verschieden im Vergleich zu Europa.

Während es hier den Leuten sichtbar von Jahr zu Jahr besser geht und man in dem Bewusstsein lebt, dass es der kommenden Generation einmal besser gehen wird als der gegenwärtigen Generation, ist in Europa zu großen Teilen eine gewisse Depression spürbar. Angesichts explodierender Staatsschulden, kollabierender Sozialsysteme und dem nicht unberechtigterweise bestehenden Gefühl, dass die kommende Generation in weniger Wohlstand aufwachsen wird.

Als ich 2010 das erste Mal Saigon besuchte sah die Skyline der Stadt noch relativ dürftig aus. Nun, zum Jahresanfang 2018 kann die hiesige Hochhauslandschaft schon meiner Heimatstadt Frankfurt am Main Konkurrenz machen. Es ist absehbar, dass sich in den kommenden zwei bis drei Jahrzehnten das Antlitz der Stadt in Richtung ähnlicher asiatischer Mega-Finanzmetropolen wie Singapur oder Shanghai entwickeln wird. Das Tempo in dem hier komplette moderne Stadtviertel wortwörtlich aus dem Boden gestampft werden ist schier unglaublich. Europa wirkt im Vergleich gesehen dazu oftmals wie eine Art „Freilicht Museum”.

Es ist für mich keine Frage, dass im 21. Jahrhundert der wirtschaftliche Mittelpunkt der Erde sich zunehmend in Richtung Asien verschieben wird. Gegeben dem alten Sprichwort: „The trend is your friend” war der dementsprechende Umzug nach Asien eine meines Erachtens folgerichtige Entscheidung im Hinblick auf meine persönliche Zukunft.

Vietnam war für mich bereits nach meinem ersten Aufenthalt 2010 quasi Liebe auf den ersten Blick.

Base58: Sind die Menschen in Vietnam offen gegenüber neuen Technologien? Ist Vietnam ein Beispiel dafür, wie Kryptowährungen bereits aktiv die Welt verbessert (Stichwort Remittance, Zugang zu Märkten,…)?

Das ist in der Tat teilweise bereits der Fall. Vietnam hat, gegeben durch seine sehr spezielle Geschichte, eine große Diaspora an „Viet Kieu” (Auslandsvietnamesen). Seien es die – vornehmlich aus Nordvietnam stammenden, ehemaligen Vertragsarbeiter im Rahmen des wirtschaftlichen Austausches zwischen sozialistischen Bruderstaaten in zahlreichen ehemaligen Staaten des Warschauer Paktes. Oder seien es die – vornehmlich aus Südvietnam stammenden – Kriegsflüchtlinge, inklusive der in den Nachkriegsjahren durch Hunger und Armut Geflohenen.
Während manch eine Diaspora (Kalifornien, Australien, Tschechien, Ostdeutschland…) in den Jahrzehnten im Ausland äußert effektive und kostengünstige „Hawala”-artige Netzwerke aufgebaut haben, gibt es andere Orte und Nationen, wo es für die dort lebenden Vietnamesen nach wie vor teuer bis sehr teuer ist ihren im Mutterland verbliebenen Angehörigen monatlich einen Teil ihres Gehaltes nach Hause zu schicken.

In einigen dieser Korridore haben wir daher mit unserer Blockchain-basierten Remittance-Lösung cash2vn für deutliche Kosteneinsparungen bei den jeweilig betroffenen vietnamesischen Communities sorgen können. Das sind Einsparungen, die hier und heute bereits extrem helfen, insbesondere wenn man sich anschaut das ein großer Teil dieser Zahlungen oftmals in die nach wie vor noch relativ rückständigen ländlichen Regionen in Vietnam fließen.
Während wir auch schon Ansätze gesehen haben, in denen Kryptowährungen auch dabei helfen können die eigenen Produkte in deutlich simplifizierter Weise einem globalen Publikum zur Verfügung zu stellen. Ein Beispielexemplar in unserer Community stellt z.B. der Ho-Chi-Minh-Stadt-basierte Reiseanbieter future.travel dar. So ist doch zu sagen, dass auf Grund der aktuell noch vorherrschenden regulatorischen Unsicherheit im Hinblick auf die Behandlung von Kryptowährungen als Zahlungsmittel im Lande das Potential in diesem Bereich bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist.

Base58: Was erhoffst Du Dir von dezentralen Technologien?

Ich erhoffe mir, dass Kryptowährungen dort weitermachen, wo das Aufkommen des World Wide Web angefangen hat.
Wir haben mit dem Internet gesehen, dass es zahlreiche zentralisierte Gatekeeper obsolet gemacht hat. Selbst wenn diese weiterhin eine zombieartige Existenz führen. Insbesondere z.B. im Hinblick auf die Massenmedien, die mit dem Aufkommen moderner Kommunikationstechnologien zu einer unglaublichen Machtballung in der Hände eben dieser wenigen Gatekeeper führte (Edward Bernays’ Klassiker “Propaganda” von 1928 ist eine vorzügliche Lektüre aus den frühen Tagen dieses Prozesses).

Insbesondere in den letzten Jahren sehen wir, wie das Establishment dort immer offener versucht in einem verzweifelten Abwehrkampf das Rad der Zeit zurückzudrehen und wieder mehr Kontrolle über die Kommunikationskanäle ihrer Untertanen zu erlangen.

Von NetzDG bis hin zu dem gegenwärtig stattfindenden Propagandafeldzug gegen Facebook, Twitter, Youtube & Co. welche zunehmend enger vom Staat an die Leine genommen werden. Das freie Internet wird auf breiter Front angegriffen von jenen Gruppen, die viel zu verlieren haben, wenn den Bürgern freie Kommunikation ihrer Gedanken und Anschauungen erlaubt werden würde.
Insbesondere in dieser Hinsicht hoffe ich, dass dezentralisierte Technologien dort künftig solche zentralisierten – und daher einfach korrumpierbaren – Plattformen wie die Social Media Giganten unserer Tage zunehmend ersetzen können werden.
Freie Meinungsäußerung sollte das erste Grundrecht darstellen, auch wenn das in Deutschland historisch üblicherweise anders gesehen wird.

Base58: Was sind die Pläne für die nächsten Monate mit Deinen Projekten?

Es ist klar, dass seit dem großen Boom 2017 die „Amateurstunde” vorüber ist. Während die ganz frühen Cowboy-Tage des Bitcoins schon zu unserem Start 2014, zwei Wochen nach dem Kollaps von Mt.Gox, vorbei waren, ist mittlerweile absehbar wohin der Trend für Exchangeoperations wie unsereins gehen wird.
Es wird zunehmend professioneller und institutioneller. Die Systeme und Plattformen müssen „institutional grade” Performance, Sicherheit und ein entsprechendes Feature-Set aufweisen können.

Die zentralisierten Exchangeoperations werden zwangsläufig relativ ähnlich zu existierenden Finanzinstitutionen geführt werden müssen – mit all den Regularien, Compliance usw. was eben dazu gehört.

Auch für uns heißt das sich entsprechend zu positionieren, wenn wir dort nicht auf Sicht von jenen Playern aus dem Markt verdrängt werden wollen, die diese Rückschlüsse entsprechend früher in die Tat umsetzen.
Es bleibt demnach extrem viel für uns zu tun – so dass wohl auch im kommenden Jahr eine ausgewogene “Work-Life-Balance” erstmal unter ferner liefen aufzufinden ist.

Base58: Danke Dominik Weil für deine Zeit und die Ausführlichkeit deiner Antworten. Alles Gute auf deinem Weg.